Vom richtigen Umgang mit Fehlern

Der Fehlerkultur im Projekt kommt eine besondere Bedeutung zu. Denn in jeder Organisation passieren Fehler: sowohl kleine, relativ unbedeutende wie auch gravierende, die zu ernsthaften Störungen führen können. Gerade im Rahmen von Projekten, die per Definition etwas Neuartiges, Komplexes und Risikobehaftetes beinhalten, sind Fehler unvermeidlich. Wenn also Fehler dazu gehören, dann ist es wichtig, sich darüber Gedanken zu machen, wie mit diesen Fehlern umgegangen wird.

Doch wie könnte der Umgang mit Fehlern aussehen? Denn schließlich führen Fehler zu internen und/oder externen Verlusten. Und die Fehlerbehebung ist nicht immer einfach, sondern birgt das Risiko weiterer Fehler.

Die Alternativen

Eine Möglichkeit ist, sich ausschließlich auf die reine Behebung des Fehlers zu konzentrieren. Der Fehler wird schnellstmöglich behoben. Allerdings würde die Organisation nicht dazu lernen. Die Ursache im Sinne von Fehler im Prozess o.ä. würde weiter bestehen bleiben und die Wahrscheinlichkeit, dass der Fehler erneut auftritt, bleibt unverändert.

Daher ist nach der eigentlichen Ursache des Fehlers zu suchen. Es wird geprüft, ob z.B. Prozesse nicht eindeutig definiert oder Schnittstellen nicht klar beschrieben sind. Und es wird überlegt, was geändert werden müsste, um eine Fehlerwiederholung möglichst auszuschließen. Dieses führt dazu, dass die Organisation sich entwickelt, aus ihren Fehlern lernt.

Eine andere Option wäre, den Fokus auf die Suche nach dem Verursacher des Fehlers zu legen. Es wird also ausgiebig nach Schuldigen gesucht. Dieses auch deshalb, um allen in der Organisation deutlich zu machen, dass Fehler nicht gewünscht sind.

Dieses Vorgehen hat jedoch nicht zu unterschätzende Nebenwirkungen. Denn die Suche nach dem Schuldigen wird von den anderen Mitgliedern der Organisation wahrgenommen. Sie lernen, dass es nicht gut ist, einen Fehler zu machen.

Fehlersuche

Und in der Folge kann es unterschiedliche Lernkurven der Mitarbeiter geben:

  • Es wird versucht Fehler zu vertuschen, um nicht als Schuldiger identifiziert zu werden.
  • Es wird im Vorfeld einer Aktion versucht, möglichst keine Fehler zu machen. Die Mitarbeiter sichern sich durch umfangreiche Abstimmungen ab. Dieses kostet sehr viel Zeit und reduziert die Effizienz der Organisation. Ist dieses Verhalten sehr stark ausgeprägt, dann geht die Umsetzungsgeschwindigkeit nahezu gegen Null. Getreu dem Motto: „Wer nichts macht, macht auch keine Fehler.“ Dabei ist jedoch zu beachten, dass nichts zu machen, bereits ein Fehler sein kann.

Sichtbar werden die Lernkurven z.B. in einer übermäßigen Eskalationshäufigkeit oder in großen cc-Verteilern der E-Mails. Aber auch die ständige Abstimmung in Meetings (mit vielen Teilnehmern) oder die schriftliche Fixierung von kleinsten Absprachen können Indizien für eine negative Fehlerkultur sein.

Risiken und Nebenwirkungen

Die im vorhergehenden Absatz beschriebenen Nachteile sind für sich allein schon schlecht für eine Organisation. Eine weitere, nicht zu unterschätzende Folge ist jedoch, dass die Führung der Organisation den Blick auf die Wirklichkeit verliert: Fehler werden auf allen Ebenen beschönigt, geleugnet oder vertuscht. Damit ist die Realität in der Unternehmung nicht mehr ohne weiteres sichtbar. Und in der Folge werden Entscheidungen nicht mehr auf der Basis der „wirklichen“ Wirklichkeit gefällt, sondern auf Basis einer „dargestellten“ Wirklichkeit. Die Folgen für das Unternehmen könnten fatal sein.

Eine aus meiner Sicht gute Fehlerkultur in einer Organisation akzeptiert, dass Fehler passieren. Wenn ein Fehler auftritt, dann wird primär der Fokus auf die Fehlerbehebung und das Finden der Fehlerursache gelegt. Dabei sollten die Prozesse, und Schnittstellen auf eventuelle Schwachstellen untersucht werden.

„Wo gehobelt wird, da fallen auch Späne!“

Gibt es einen „Schuldigen“, der sich beispielsweise nicht an die beschriebenen Procedere gehalten hat, wird mit diesem gesprochen. Vielleicht gab es gute Gründe, von den Vorschriften abzuweichen? Wenn nicht, ist das Fehlverhalten des Mitarbeiters natürlich zu kritisieren. Ziel des ersten Gespräches sollte jedoch nicht die Erzeugung von Schuldgefühlen, sondern die Einsicht und das Verständnis sein. Erst dann, wenn ein Fehler vom Mitarbeiter wiederholt wird, sind mögliche Konsequenzen aufzuzeigen und auch umzusetzen.

In einer positiven Fehlerkultur gibt es einen deutlich geringeren Hang, Dinge zu vertuschen oder zu beschönigen. Damit werden bessere Entscheidungen getroffen. Und auch auf die Akzeptanz der Entscheidungen wirkt sich das positiv aus, da ein eher einheitlicher Blick auf die Organisation vorherrscht, soweit dieses bei einem von Natur aus komplexen Ding wie dem sozialen Gefüge einer Organisation überhaupt sein kann.

Was bedeutet das für das Projekt?

Im Projekt besteht die Chance, eine eigene Kultur z.B. im Umgang mit Fehlern aufzubauen. Natürlich ist das Projekt eingebunden in das Unternehmen und kann sich somit nicht von dessen Zwängen freimachen. Aber im Kleinen kann zumindest projektintern eine andere Akzentsetzung z.B. im Umgang mit Fehlern gelebt werden. Daher sollte der Projektleiter sich bereits sehr früh darüber Gedanken machen, ob er die gelebte Kultur in sein Projekt übernehmen will oder nicht. Im nächsten Schritt kann er dann kleine Maßnahmen definieren, die z.B. eine eigene Fehlerkultur im Projekt begünstigen. Damit wird er sicherlich noch nicht das Optimum einer Fehlerkultur erreichen, aber wie sagte Laotse:

„Auch der längste Marsch beginnt mit dem ersten Schritt.“

Laotse